Extra-institutionelle Vorbilder

Wir alle haben die Ideologie verinnerlicht, dass gute Theorien an der Universität entstehen müssen. Unwillkürlich verbinden wir Wissenschaft mit Institutionen. Dabei gibt es einige Beispiele, die zeigen, dass ein solche Verknüpfung unnötig ist.

 

Nehmen wir zum Anfang Benjamin Lee Whorf (1897 - 1941). Dieser war Angestellter einer Feuerversicherung und wollte die Wissenschaft gar nicht zu seinem Beruf machen. Nichtsdestotrotz entwarf er eine Hypothese, die bis heute diskutiert wird, namentlich die Hypothese der sprachlichen Relativität. D.h., Denken wird maßgeblich durch die jeweiligen Sprachen geformt.

 

Ähnlich, und an dieser Stelle nicht zu entbehren, ist die Biographie von Albert Einstein. Dieser arbeitete bekannterweise als Angestellter am Berner Patentamt. Hier veröffentlichte er 1905 vier Schriften, die nach Carl Friedrich von Weizsäcker alle nobelpreiswürdig waren. Auch wenn er später eine Professur antrat, so zeigt Einsteins Biographie doch, wie geniale Entwürfe durch individuelles Forschertum hervorgebracht werden können.

 

Judith Rich Harris (1938-2018) ist ein für mich noch hervorstechenderes Beispiel, weil es zeigt, wie mit hervorragenden Kandidaten an Universitäten umgegangen wird. Harris wurde von der Promotion entlassen, weil ihre Arbeit nach Harvard-Maßstäben nicht originell und unabhängig genug sei. Ironischerweise erhielt sie nach langen Jahren als Wissenschaftsautorin den George A. Miller-Preis von der American Psychological Association. George A. Miller war als Vorsitzender der Abteilung Psychologie in Harvard der Unterzeichner ihrer damaligen Entlassung. Bekannt wurde Harris durch die Nurture-Annahme, nach der die Persönlichkeit von Kindern vornehmlich durch Peers und angeborene Merkmale und eben nicht und hauptsächlich durch die Eltern gebildet wird. Heute zeigen viele Forschungsergebnisse, dass ihre Annahmen in die richtige Richtung gingen.

 

Die Liste könnte noch fortgeführt werden, doch dürfte der Punkt deutlich geworden sein: Wissenschaft ist individuumsgebunden und nicht zwingend institutionsgebunden.