Extra-institutionelle Wissenschaft und Arbeiterkinder

Der lesende Arbeiter von Paul J. Müller (Paolo) 1884-1982
Der lesende Arbeiter von Paul J. Müller (Paolo) 1884-1982

Von 100 Arbeiterkindern beginnen nur 27 ein Studium und von diesen 27 bricht ein Drittel das Studium ab. Nur 1% der Arbeiterkinder schaffen letztlich die Promotion (Hierzu ein Artikel auf faz.net LINK). Seit den sogenannten Bologna-Reformen verschärft sich diese massive Ungleichheit gravierend. Womit beschäftigt man sich aber währenddessen an den Universitäten und Hochschulen in den gesellschaftskritischen Wissenschaften? Klima, Nachhaltigkeit, Gender, Queer, Postkolonialismus etc., all die Theorieströmungen, von denen allmählich offenbar wird, dass ihnen autoritäre bis faschistoide Tendenzen zugrundeliegen, vor allem in Anbetracht der beschämenden Positionierung der akademischen "Linken" zum islamischen Antisemitismus, ja, zu inhumanen Religionsgemeinschaften insgesamt. Wohlbetuchte Akademikerkinder haben sich die akademischen Institutionen fast wieder vollständig zu eigen gemacht und leben hier, wie zu allen Zeiten, ihre Herrschaftsphantasien in Ideologien aus, die, ebenfalls wie zu allen Zeiten, nur dazu dienen, ihnen in ihrer Bezugsgruppe Prestige und Status zu sichern und zu erhöhen und andere Bezugsgruppen, vornehmliche die arbeitende Klasse, zu diesem Zweck zu exkludieren und zu erniedrigen. Es ist der weiße, männliche, heterosexuelle Arbeiter aus dem Westen, der umerzogen und therapiert werden muss.

Selbst bei Arbeiterkind.de, einer Organisation, die Arbeiterkinder ins Studium bringen und dort unterstützen möchte, wurden Seminare zur Beschäftigung mit dem eigenen Weißsein angeboten. Die Kritik gilt immer rein externalen Merkmalen, die zu einem identitätstheoretischen Fatum stilisiert werden. Eigentumsinhaber aber, die offensiv den gesellschaftlichen Wettbewerb unterlaufen und ihren Kindern mit Besuchen von Privatuniversitäten den Weg frei kaufen und ihre etablierten Netzwerke zum Statuserhalt der eigenen SIppe nutzen, gelten als Norm der Leistungsträger und pragmatisch orientierte Intelligenz.

Die Akademie hat der gerechte geistige Wettbewerb noch nie interessiert, dennoch erzählt man Arbeiterkindern weiterhin die Mär vom lohnenden Besuch dieser Bildungsinstitutionen, in denen sie sowieso nicht erwünscht sind und spätestens auf höheren Ebenen aufgrund ihrer fehlenden "Netzwerkkompetenz" aussortiert werden.

Parallel hat sich in unserer Gesellschaft längst ein akademisches Proletariat/Prekariat gebildet, das sich wie im Feudalismus des 18. Jahrhunderts als Privatlehrer/Hofmeister verdingen darf - heute aber an privaten Institutionen und nicht so sehr im häuslichen Umfeld; der Eingentums-Adel hat den Erbadel ersetzt. Wer romantisierend über die Biographie z.B. eines Hölderlins oder anderer früherer Geistesgrößen als Hauslehrer denkt, der schaue sich also die gegenwärtige Potenzialverschwendung in unserem Land an, in der die Wohlhabenden zum reinen Statuserhalt, die Arbeiterkinder zur Vortäuschung von Chancengleichheit, heißt zur gesellschaftlichen Befriedung und Einlullung, die Unis und Hochschulen besuchen sollen.

Was bleibt hier aber hier für euch als Arbeiterkinder, die sich für Bildung und Forschung begeistern?

Die Perspektive einer extra-institutionellen Wissenschaft macht frei vom normierten Weg der Bourgeoisie. Lasst die gutbetuchten Kinder artig im SUV zur Universität gebracht werden, von ihrem Papa die Wohnung bezahlt und von ihm oder einem Ghost-Writer die BA-Arbeit geschrieben bekommen und sucht eigene Wege. Als Fachkraft verdient man heutzutage eh mehr als ein aussortierter Akademiker. Geistig kann man dann nebenbei tätig sein. Das Internet bietet hier zum Glück immer noch Wege, zu einer eigenen Form von BIldung zu gelangen. Da es an Unis und Hochschulen durch das akademische Bürokratentum sowieso keine inspirierenden Vorlesungen mehr gibt, kann man jegliche Inhalte auch über You Tube und Google-Schollar etc. bequem und besser bekommen (man wird praktisch zu einer Form von Cyberpunk-Academic :-) ). Veröffentlichen kann man auch unabhängig von institutioneller Zugehörigkeit und kann sich auch in Foren mit Gleichgesinnten organisieren. Wie der Beitrag zu den freien Erfindern und ihrem Impact in früheren Zeiten (LINK) zeigt, kann dies potenziell ein außerordentlich produktiver Weg sein, der viel zu wenig gegangen wird, weil er nicht mehr gesehen wird.

Scheißt also frühzeitig auf den akademischen Knochen, der euch vorgehalten wird und macht auch hier, was ihr von euren Arbeitereltern gelernt habt: Hart arbeiten. Nur, dass ihr es hier wirklich für euch tut und die Früchte immer selbst ernten könnt.

Songez à librement vivre - Gedenkt frei zu leben!

 

Quelle:;

Das BIld "Lesender Arbeiter" ist von der Seite: http://www.artnet.de/k%C3%BCnstler/paolo-paul-jakob-m%C3%BCller/der-lesender-arbeiter-8NkXdXS_wHlkw1v6ElJI4g2