Und wieder ein Anekdötchen, das suggerieren soll, dass er alles, ja aber auch wirklich alles gelesen habe. Dann dieses zwanghafte "Ja?" nach jedem zweiten Satz, bei dem man nach einer gewissen Zeit nicht mehr anders kann, als es als blanke Insinuation der eigenen Unbedarftheit wahrzunehmen. Letztlich ist ja alles Neo bei Markus Gabriel, das Jesus-Wort "Ich mache alles neu" hat dieser "Shooting-Star" der Philosophie allzu wörtlich genommen und irrt nun wie ein geisterfahrender Fahranfänger durch alle Themenbereiche, die man in der Philosophie findet - Epistemologie, Metaphysik, Philosophie des Geistes, Neurophilosophie, KI-Forschung, Religionsphilosophie, Ethik usw., usw. Falls so mancher denkt, dass dies einen jeden Begabten in noch jungen Jahren (er wurde mit 29 Jahren Professor, heute ist er 42 Jahre alt) doch etwas überfordern sollte, zu jedem dieser Bereiche etwas wirklich Ertragreiches beizutragen - ja, dem ist so - es sei denn man pfeift einfach auf Grundlagenwissen und gefundene Wahrheiten und stellt seine willkürlichen Gedanken einfach als etwas total neues hin. Jeder kennt dies selbst aus den ersten Studienjahren. Jeder eigene Gedanke wird fulminant überbewertet, man kennt noch nicht die Grenzen, die durch die Geistesgeschichte gezogen werden und so spielt jeder, wie Gadamer einmal bemerkte, den Narr erstmal auf eigene Faust. Nur, der hier besagte Narr kasiert nun schon seit Jahren ein Professorengehalt, jettet auf Kosten des Steuerzahlers von Vortrag zu Vortrag, was alles nicht der Rede wert wäre, wenn es nicht zu großen Teilen blanker, abgehobener Unsinn wäre und zum Teil einfach Gedankengut darstellt, das er wie Treibholz vom trockenen Ufer aufgesammelt hat. Zwei Beispiele sollen dies illustrieren. Gabriel kennt Ayn Rand, dies wurde in einem Vortrag in Luzern 2023 deutlich. Wieso aber, fragt man sich, wird in Bezug zu seinem Neo-Realismus niemals der Objektivismus erwähnt? Der epistomologische Grundantritt, dass es die Perspektive von jedem Einzelnen und das Objekt gibt und diese objektiv respektive real sind, findet sich schon in Ayn Rands drei Axiomen:
1. Axiom: Existenz existiert. Es muss irgendetwas geben, sonst können wir gar nichts erkennen und Aussagen über die Welt machen.
2. Axiom: Bewusstsein muss gegeben sein. Ohne Bewusstsein könnte Existenz nicht erfasst werden. Während Existierendes ohne Bewusstsein denkbar ist, ist es der umgekehrte Fall nicht.
3. Axiom: Das, was existiert, ist mit sich identisch, es hat Identität. Oder formal: A ist A. Etwas kann nicht rot und gleichzeitig grün oder Apfel und Birne sein.
Es ist dieser Grundantritt, der mit dem Buch "Warum es die Welt nicht gibt" gefeiert wurde, als ob etwas grundlegend neues in die Philosophie gekommen wäre. Und auch die weiteren Annahmen, dass es eben die Welt nicht gibt, weil die Welt kein Container von Dingen sei, sondern im Grunde Sinnfelder, die unendlich ineinander greifen (ich habe das mal grob zusammengefasst), ist m.E. im Grunde alter Tobak, den man schon in Einführungen in die Systemtheorie aus den 70er Jahren finden kann (hier sind es eben keine Sinnfelder, sondern unendlich ineinander verschachtelte Systeme). Aber nun gut, man ist ja eben nicht Professor oder Medienprofi, da kann sowas ja mal passieren ;-)
Zu erwähnen sei dazu dann aber noch, dass Gabriel Denken als Sinn "neu" konzipiert (in "Der Sinn des Denkens"). Denken als Sinn, das ist ja doch ganz neu - oder doch etwas nicht? Aber hat nicht der Deutschlandfunk geschrieben "Damit stellt sich Gabriel gegen die gesamte Philosophietradition seit Platon, in der das denkende Wesen Mensch seiner Wirklichkeit gegenübersteht."? https://www.deutschlandfunk.de/markus-gabriel-der-sinn-des-denkens-denken-als-sechster-sinn-100.html
Huch, da gab es ja mal einen Rudolf Steiner, der tatsächlich einen Gedankensinn annahm:
„Aber wiederum, wenn ich das Wort wahrnehme, so lebe ich mich nicht so intim in das Objekt, in das äußere Wesen hinein, als wenn ich durch das Wort
den Gedanken wahrnehme. Da unterscheiden die meisten Menschen schon nicht mehr. Aber es ist ein Unterschied zwischen dem Wahrnehmen des bloßen Wortes, des sinnvoll Tönenden, und dem realen
Wahrnehmen des Gedankens hinter dem Worte. Das Wort nehmen Sie schließlich auch wahr, wenn es gelöst wird von dem Denker durch den Phonographen, oder selbst durch das Geschriebene. Aber im
lebendigen Zusammenhange mit dem Wesen, das das Wort bildet, unmittelbar durch das Wort in das Wesen, in das denkende, vorstellende Wesen mich hineinversetzen, das erfordert noch einen tieferen
Sinn als den gewöhnlichen Wortsinn, das erfordert den Denksinn, wie ich es nennen möchte.“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Sinneslehre_Rudolf_Steiners)
Nun gut, Steiner sprach nun nicht von Sinnfeldern, aber die Sinnes-Analogie für Denken und Gedanken als neu darzustellen, ohne Steiner zu nennen, nun ja, das ist doch mal wieder etwas fragwürdig.
Die Reihe ließe sich noch endlos fortführen, diese Illustrationen sollten allerdings genügen.
Neuerdings beschäftigt sich diese Blendgranate der Philosophie mit dem Kapitalismus und hier wird es nun wohl auf einen Neuen Liberalismus hinauslaufen (was auch sonst...). Wieder die selbe Rezeptur: ein Anekdötchen hier, ein insinuierendes JA?, eine Brise Halbwissen aus Einführungen, umrühren mit einem schlechten Gag und TATA, fertig ist das gabrielsche NEO-Gericht.
Wie gehabt, wären es nur die Possen eines Studienanfängers, man würde es verstehen. Dass aber nun Gabriel auch noch die Fühler in Richtung Wirtschaft ausstreckt, um hier mit öffentlichen Geldern im Rücken Ethik-Berater nach eigenem Gusto heranzuzüchten, ist, um in seiner eigenen Schwarz-weiß-Ethik zu sprechen, schlicht moralisch böse. Denn es scheint vor allem eines ziemlich sicher zu sein, nämlich, dass es ihm vor allem um Drittmittel und mit diesen um das eigene Prestige geht (schauen Sie hierzu die Videos unten. Tipp: Erst Gabriel im Orginal anschauen und dann die kommentierte Version). Und jede Uni, die ein solch unseriöses und unfundiertes Kasperle-Theater auch noch protegiert, sollten die öffentlichen Gelder gekürzt werden. Und warum tun die Universität und Medien all dies, warum erfolgt so überhaupt keine Kritik? Nun zum Abschluss sollen nur unkommentiert Zeilen aus Cyrano de Bergerac stehen, ein jeder denke dazu, was er wolle:
Dergleichen hätten Sie zu mir gesagt,
Wenn Sie Gelehrsamkeit und Geist verbänden;
Jedoch von Geist, dem Himmel sei's geklagt,
Ist keine Spur in Ihren Schädelwänden;
Ihr Kopf ist nicht gelehrt und doch so leer!